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Ein paar Scheiben Salami mehr, bitte!

Offener Brief an alle, die sich fragen, wie Wahlstedt sich entwickeln soll

Möchten wir reinen Wein über neue Industrieansiedlung eingeschenkt haben, schließen sich im Rathaus die Jalousien. Bei gezielter Nachfrage gibt man höchstens nach der „Salami-Taktik“ scheibchenweise etwas preis. So entstehen Gerüchte. Infolgedessen sorgen wir uns um die Umwelt und die Gesundheit unserer Familien.

Uns Bürgern ist natürlich bekannt, dass Wahlstedt (zusammen mit dem Zweckverband Mittelzentrum) in der Landes-, Regional- und Stadtplanung einige der letzten erhältlichen Sahnestücke für Industrieansiedlung anpreisen kann und etliche Anfragen bereits vorliegen.*1) Trotz hoher Schulden, Sanierungsstau und geschätztem Anstieg der Kreditzinsen (Monika Heinold, Finanzministerin) auf 3,5 Prozent bis 2022 (vgl. LN, 12.09.18)*1a) hoffen unsere Stadtväter darauf, durch Industrieansiedlung an mehreren Ortsteilen zu höheren Steuereinnahmen zu kommen. Gleichzeitig lehren uns die letzten zwei Jahre, dass das hiesige Steueraufkommen in erster Linie von den Anwohnern und dem vorhandenen Gewerbe kommt – nichts ist so unsicher wie Gewerbesteuereinnahmen von Industriebetrieben!*2)

Auch die vielzitierten Arbeitsplätze bieten nicht die Industriebetriebe*2a), sondern – gemessen am Flächenverbrauch - das Gewerbe und die Dienstleister.

Wahlstedt – so der Slogan von Politikern – soll sich weiterentwickeln und eine lebendige Stadt bleiben. Da ist der Weg über die Neuansiedlung von Mitbürgern bestimmt richtig gewählt. Aber die Hoffnung, dass hier alle einen Arbeitsplatz finden, scheint trügerisch. Die Hälfte von ihnen sind Pendler - und zunehmend – Leiharbeiter. Vielleicht schreckt mancher Bauwillige auch schon zurück, wenn er von verschleierten Industrieplänen und  Ansiedlung von Windenergieanlagen hört? Oder wenn Anwohner über ihre Erfahrungen mit Wahlstedter Immissionen berichten?

Betroffenen Bürgern gäbe es Sicherheit, anhand einer Negativliste zu erfahren, welche Arten von Industriebetrieben nicht angesiedelt werden sollen. Die Namen der Firmen sind dabei zweitrangig. Da die Planer sich aber – auf Kosten des Vertrauens - alle Optionen offenhalten wollen, geben sie sich seit Monaten zugeknöpft.

Das Argument der Stadt, stattdessen Lärm-Immissionskontingente für den geplanten Bereich zu vergeben, stellt Skeptiker nicht zufrieden. Mit dieser Maßnahme sind die in der schalltechnischen Untersuchung des Planungsbüros schlicht ausgeklammerten Aspekte nicht wegdiskutiert:

  • der beschönigende Faktor „Bodendämpfung“
  • die wirklichkeitsfremde „Höhe der Immissionsquellen“ (Einen Meter über dem Boden)
  • Verkehrslärm durch neue Straßen im neuen Industriegebiet
  • Weiter zunehmender Verkehrslärm auf den Hauptverkehrsadern (Holsteinstraße, Industriestraße etc., Bahnlinie, B 205, A 21)

Warum?

  • Mehr Gewerbe, Industrie und Wohnbebauung bringen höheres Verkehrsaufkommen auf den Hauptverkehrsadern; die Anbindung an die A 20 in Wittenborn und (noch geplante) Industrieansiedlung in Richtung Wittenborn werden die Verkehrsströme in und durch Wahlstedt vergrößern.
  • Die unterstellte „Bodendämpfung“ kann es nicht geben, wenn der Baugrund laut B-Plan einen Versiegelungsgrad von 0,8 oder 0,9 erhält und somit den Schall reflektiert.
  • Schallemissionen in der Höhe von einem Meter über dem Boden bezweifeln die meisten Menschen, weil dort Gebäude bis zu einer Höhe von 25 Metern stehen dürfen, auf deren Dächern zusätzlich noch Ventilationsanlagen arbeiten dürfen.
  • Der Straßenverkehr auf den neu gebauten Straßen im Industriegebiet verstärkt die schon vorhandene Lärmentwicklung durch zusätzlichen ständigen LKW-Pendelverkehr, vielleicht auch Bahn-Güterverkehr, auch nachts.

Aus Fachkreisen ist bekannt, dass für die erforderlichen Gutachten im Vorfeld eines Bebauungsplans leicht Kosten im sechsstelligen Bereich zustande kommen. Bedenkt man, dass in Wahlstedt Teile davon wegen offensichtlicher Mängel Nachbesserungsbedarf haben könnten, würden sich diese Kosten erhöhen. Schlimmstenfalls ist möglich, dass der gesamte Bebauungsplan für nichtig erklärt wird. (Beispiel: Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. April 2014, AZ 10A 8.09).

Hinzu kommt, dass unter Fachleuten diskutiert wird, das vielschichtige Phänomen Lärmbelastung und seine gesundheitlichen Folgen viel kritischer als bisher zu betrachten und diese Erkenntnisse in die Gesetzgebung einfließen zu lassen.*3)

Die Vernebelungstaktik der Politiker lässt schlimmste Vermutungen kursieren, denn rechtlich weitgefasste Rahmenbedingungen (Werbung der Stadt: „Günstige Baubedingungen“) lassen – abgesehen vom Lärm - Ärgstes befürchten:

* Feinstaub aus Filteranlagen und dem Freigelände*4)

* schädliche Abgase

* Grundwasserabsenkungen; Verseuchung von Grundwasser (siehe auch „Geruchsbelästigungen“)

* Bodenabsenkungen, Beschädigungen bei schon bestehenden Häusern

* Geruchsbelästigungen (z.B. Gülle, Mast- und Zuchtbetriebe, Legebetriebe)

* zusätzliche mögliche Gefahren durch giftige Chemikalien (Klärschlämm-Restprodukte, Anwendung von Säuren und Basen…)

Beispiele für befürchtete Betriebe:

  • Riesenlager für Tiefkühlkost (Kühlaggregate laufen rund um die Uhr)
  • Zentrallager für große Discounter (Fahrzeuge rund um die Uhr)
  • Großdepot für Transportdienste (Fahrzeuge rund um die Uhr)
  • Gleisanbindung für den Umschlag von Gütern (Passt gut in die verplanten Flächen, Betrieb Tag und Nacht)
  • Großbetrieb zur Produktion und/oder Reparatur von Großfahrzeugen (Loks, Waggons, Bagger, LKW, Busse)
  • Müllverbrennung (Stetiger LKW-Verkehr, Schadstoffe)*4)
  • Autohof (Werkstätten, Tankstelle, Parkplätze, Raststätte - war bereits im Gespräch für das Gebiet Negernbötel/B 205)
  • Metall- oder holzverarbeitende Betriebe (An- und Abtransport per LKW bzw. Bahn)
  • Erweiterung des vorhandenen Schrotthandels Holsteinstraße (Zerkleinern, Pressen, „Behandeln“ von Kfz-Katalysatoren*5) und Elektrokabeln*5a) - bereits geplant)
  • Brechwerk (LKW, Bahn; bereits geplant)
  • Recycling (= Verbrennung) von Klärschlamm – z.B. zur Phosphor-Rückgewinnung*4)(neue Klärschlammverordnung, Bundeszuschüsse in Millionenhöhe)
  • Baustofflager (LKW, Bahn)
  • Reifen-Produktion (LKW, Bahn)
  • Pyrotechnik (LKW, Bahn)
  • Brennstoff-Großhandel (Gas, Diesel, Benzin, Holz) – (LKW, Bahn)

Beschwichtigungs- oder Vernebelungsversuche helfen nicht - die Ängste sind da, weil man schon früher schlechte Erfahrungen gesammelt hat (z.B. Asphaltmischwerk, Glasrecycling, Hauptverkehrsadern, Verkehrsschwerpunkte, Schienenverkehr).

Wie laut wird es? – Wie entwickelt sich der Straßenverkehr? - Was kommt aus den Schornsteinen? – Wie gut werden die Filteranlagen? – Wer kontrolliert und registriert, regelmäßig die Emissionen? – Leiden die Umwelt, die Luft, der Boden, das Grundwasser? – Welche Chemikalien/Gerüche können austreten? – Sind wir vor Bränden/Explosionen sicher – Was wird aus Pflanzen und Tieren und unserem Wohlbefinden, unserer Gesundheit?

Auch Kritiker neuer Industrieansiedlung wollen, dass Wahlstedt sich weiterentwickelt und möchten ein lebendiges Wahlstedt.

Wir meinen: Das gelingt auch anders. Zum Beispiel mit mehr Gewerbe, einem Hotel, wie ursprünglich geplant. Vielleicht auch mit schönerem Stadtbild, Parkanlagen, Streuobst- und Blumenwiesen, sicheren Radwegen und Verkehrsberuhigung? Die Teilnahme an der Aktion „Naturnahe Kommune“*6) stünde Wahlstedt als „Kleiner Industriestadt im Grünen“ gut zu Gesicht.

Die Gelöbnisformel zur Amtseinführung für Politiker „Zum Wohle der Stadt/der Bürger“ muss nicht zwangsläufig nur die wirtschaftliche Seite betreffen, sondern kann genauso gut unsere Lebensqualität und Gesundheit einbeziehen!

Klartext könnte helfen und verlorenes Vertrauen zurückbringen.


*1) vgl. Broschüre „Regionalplan…für den Planungsraum Schleswig-Holstein Süd...“; „Teilfortschreibung des Landesentwicklungsplans SH“; „Gewerbeflächen-Konzept für den Zweckverband Mittelzentrum Bad Segeberg – Wahlstedt - Endbericht Stand April 2017“, Anlage Verbandsversammlung MZV vom 22.06.2017, unter: Stadt Bad Segeberg im Internet…).

*1a) Monika Heinold: "Was wir..." (Schleswig-Holstein) "...auf den Weg bringen, muss dauerhaft finanzierbar sein."; Die Zinslast (in Schleswig-Holstein) wird sich bis 2028 verdoppeln. (LN, Mi., 12.09.18)

*2 ( z.B., u.a. vgl. z.B. „Kommunaler Finanzausgleich 2017“. S. 28).

*2a) Papier: „Was unterscheidet ein Gewerbegebiet von einem Industriegebiet?“ (s.d.)

*3) Hartmut Ising, Barbara Kruppa, „Zum gegenwärtigen Erkenntnisstand der Lärmwirkungsforschung: Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels.

*4) 03.10.2017- Neue Klärschlammverordnung Deutschland; Rückgewinnung von wichtigen Stoffen (z.B. Phosphor) mit verschiedenen Verfahren; bmu.de ;

„Studie zur Ermittlung zur Phosphor-Rückgewinnungspotenzialen in Schleswig-Holstein“ – i.A. Ministerium für Energiewende…(MELUR) --- Raum Segeberg wird genannt!

*5) “Neue arbeitssicherheitstechnische und abfallrechtliche Regelungen“, Prof. Dr.-Ing. Kuchta, Hochschule für angewandte Wissenschaften Hamburg – kuchtagroup.de/katalysator-Artikel
--- (Gefahr des Austretens faseriger, hochgradig krebserregender Stäube)

*5a) Schreddern im Freien bei bis zulässigem Lärmpegel von 110 dB (A)

*6) Bundesprogramm zur Förderung Biologischer Vielfalt (Bundesamt für Naturschutz) (www.bfn.de/bundesprogramm foerderung.html)

(Dieser Text könnte noch ergänzt werden.  Stand 17.09.2018)

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